IT-Forum zu "Encrochat" auf dem Herbstkolloquium
Sogenannte "EncroChat - Verfahren" überfluten die Gerichte und beschäftigen einen großen KollegInnenkreis. Zahlreiche rechtliche und technische Fragen sind noch unbeantwortet (siehe hierzu unsere Sonderseite www.encrochat.de).
Unser Kollege Kai Kempgens referierte hierzu gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrich Sommer im Rahmen des IT-Forums auf dem 38. Herbstkolloquium der AG Strafrecht des DAV.
Kai Kempgens
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht
12./13. November 2021 in Leipzig
38. Herbstkolloquium der AG Strafrecht des Deutschen Anwaltsvereins
IT Forum – Encrochat – technische und rechtliche Aspekte
RA und FAStR Kai Kempgens, Berlin
RA und FAStR Prof. Dr. Ulrich Sommer, Köln
Moderation: RA Dr. Phiilipp Gehrmann, Berlin
Seit einem Jahr pflügt die Geschichte eines Instant-Messengerdienstes die deutsche und europäische Strafjustiz um. Dutzende neuer Strafkammern werden eingerichtet, um der Flut von Anschuldigungen aus kriminellen Chatprotokollen gerichtlich Herr zu werden. Strafprozesse entwickeln sich als gigantisches Versteckspiel deutscher, französischer und europäischer Behörden.
Rechtliche Einschätzungen bewegen sich im Ungefähren, einzig getragen von dem Willen, gefühlt wertvolle Beweismittel nicht der prozessualen Konsequenz der Unverwertbarkeit zu überlassen. Respekt gegenüber ausländischen Entscheidungen wird von der deutschen Rechtsprechung eingefordert – um zeitgleich Beschuldigtenrechten und dem Recht aller Bürger auf unüberwachte Kommunikation den Respekt zu versagen. Sogar das Primat des Rechtsgefühls wird im formalen Strafprozess vom Kammergericht bemüht, wenn angeblich eine Unverwertbarkeit „auch in erheblicher Weise gegen das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden der rechtstreuen Bevölkerung“ verstieße.
Der Kampf ums Recht spielt sich auf einer Bühne der digitalen Technik ab, die von den wenigsten Akteuren ausreichend erfasst werden kann und will. Funktionsweise der digitalen mobilen Kommunikation, erst recht deren heute selbstverständliche Verschlüsselung sind für Juristen zumeist ein Rätsel, ebenso wie die polizeilichen Bemühungen um einen unverschlüsselten Zugriff. Deren pauschale rechtliche Erfassung in den §§ 100a ff. StPO wirkt auf die Tech-affine Juristengemeinde oft dilettantisch. Die Geheimhaltung jeglicher Zugriffsdokumentation und die fehlende Valider- und Verifizierbarkeit des aufgelieferten Materials machen fassungslos.
Die überkommenen Regeln der Beweiswürdigung werden in den Verfahren einem harten Test unterzogen. Die Prüfung der Qualität und Vollständigkeit eines Beweismittels gerät in den Hintergrund, wenn gebastelte Chatgeschichten der Polizei mangels Wissens um konkrete Herkunft, Umfang und Inhalt des ursprünglichen „Bastelmaterials“ von den Gerichten lediglich einer summarischen Plausibilitätsprüfung unterzogen werden.
EncroChat – und zunehmend auch SkyECC – sind als prozessuale Themen wohl die größte Herausforderung der Strafverteidigung in unserer Zeit. Es gilt, eine prozessuale und menschenrechtliche Antwort zu finden auf eine neue überfallartige Strategie der Polizei, die das Geheimdienstliche in ihrer Arbeit salonfähig machen will und die Justiz mit ihren „Erfolgen“ der angeblich klaren Beweise verführt. Die Strafverteidigung muss lernen, auch gegen „Operationen“ statt wie bisher gegen „Ermittlungen“ zu verteidigen.
Das Forum wird keine Antwort auf die Menge neu aufgeworfener Fragen liefern. Es wird eine Plattform sein, die sich mit dem aktuellen Kenntnisstand der IT-Kommunikation und deren Überwachung ebenso befasst wie mit den bislang bekannten rechtlichen Argumentationsansätze der OLGs und des BKA. Darüberhinaus erhoffen wir uns eine rege Diskussion verbunden mit kollegialem Informationsaustausch. Er soll uns helfen mit zielgerichteter Verteidigung bei den Tatgerichten die notwendige Skepsis zu verbreiten, um – nicht zuletzt – auch unsere Basis für die anstehenden Entscheidungen der höchsten Gerichte in Deutschland zu stärken.
Mehr zu Verteidigung in EncroChat-Verfahren und die derzeitigen Ermittlungsverfahren finden Sie auf unserer Sonderseite www.encrochat.de.
38. Herbstkolloquium der AG Strafrecht des Deutschen Anwaltsvereins
IT Forum – Encrochat – technische und rechtliche Aspekte
RA und FAStR Kai Kempgens, Berlin
RA und FAStR Prof. Dr. Ulrich Sommer, Köln
Moderation: RA Dr. Phiilipp Gehrmann, Berlin
Seit einem Jahr pflügt die Geschichte eines Instant-Messengerdienstes die deutsche und europäische Strafjustiz um. Dutzende neuer Strafkammern werden eingerichtet, um der Flut von Anschuldigungen aus kriminellen Chatprotokollen gerichtlich Herr zu werden. Strafprozesse entwickeln sich als gigantisches Versteckspiel deutscher, französischer und europäischer Behörden.
Rechtliche Einschätzungen bewegen sich im Ungefähren, einzig getragen von dem Willen, gefühlt wertvolle Beweismittel nicht der prozessualen Konsequenz der Unverwertbarkeit zu überlassen. Respekt gegenüber ausländischen Entscheidungen wird von der deutschen Rechtsprechung eingefordert – um zeitgleich Beschuldigtenrechten und dem Recht aller Bürger auf unüberwachte Kommunikation den Respekt zu versagen. Sogar das Primat des Rechtsgefühls wird im formalen Strafprozess vom Kammergericht bemüht, wenn angeblich eine Unverwertbarkeit „auch in erheblicher Weise gegen das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden der rechtstreuen Bevölkerung“ verstieße.
Der Kampf ums Recht spielt sich auf einer Bühne der digitalen Technik ab, die von den wenigsten Akteuren ausreichend erfasst werden kann und will. Funktionsweise der digitalen mobilen Kommunikation, erst recht deren heute selbstverständliche Verschlüsselung sind für Juristen zumeist ein Rätsel, ebenso wie die polizeilichen Bemühungen um einen unverschlüsselten Zugriff. Deren pauschale rechtliche Erfassung in den §§ 100a ff. StPO wirkt auf die Tech-affine Juristengemeinde oft dilettantisch. Die Geheimhaltung jeglicher Zugriffsdokumentation und die fehlende Valider- und Verifizierbarkeit des aufgelieferten Materials machen fassungslos.
Die überkommenen Regeln der Beweiswürdigung werden in den Verfahren einem harten Test unterzogen. Die Prüfung der Qualität und Vollständigkeit eines Beweismittels gerät in den Hintergrund, wenn gebastelte Chatgeschichten der Polizei mangels Wissens um konkrete Herkunft, Umfang und Inhalt des ursprünglichen „Bastelmaterials“ von den Gerichten lediglich einer summarischen Plausibilitätsprüfung unterzogen werden.
EncroChat – und zunehmend auch SkyECC – sind als prozessuale Themen wohl die größte Herausforderung der Strafverteidigung in unserer Zeit. Es gilt, eine prozessuale und menschenrechtliche Antwort zu finden auf eine neue überfallartige Strategie der Polizei, die das Geheimdienstliche in ihrer Arbeit salonfähig machen will und die Justiz mit ihren „Erfolgen“ der angeblich klaren Beweise verführt. Die Strafverteidigung muss lernen, auch gegen „Operationen“ statt wie bisher gegen „Ermittlungen“ zu verteidigen.
Das Forum wird keine Antwort auf die Menge neu aufgeworfener Fragen liefern. Es wird eine Plattform sein, die sich mit dem aktuellen Kenntnisstand der IT-Kommunikation und deren Überwachung ebenso befasst wie mit den bislang bekannten rechtlichen Argumentationsansätze der OLGs und des BKA. Darüberhinaus erhoffen wir uns eine rege Diskussion verbunden mit kollegialem Informationsaustausch. Er soll uns helfen mit zielgerichteter Verteidigung bei den Tatgerichten die notwendige Skepsis zu verbreiten, um – nicht zuletzt – auch unsere Basis für die anstehenden Entscheidungen der höchsten Gerichte in Deutschland zu stärken.
Mehr zu Verteidigung in EncroChat-Verfahren und die derzeitigen Ermittlungsverfahren finden Sie auf unserer Sonderseite www.encrochat.de.
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