Beurkundung von Grundstücksgeschäften Zur Reichweite des Russland-Embargos
Mit Urteil vom 05.09.2024 (C-109/23-Jenerak) hat die 2. Kammer des EuGH entschieden, dass die Beurkundung eines Wohnungskaufvertrags und dessen Vollzug keine Rechtsberatungsdienstleistung darstellt. Eine entsprechende notarielle Tätigkeit begründe daher keinen Verstoß gegen die VO (EU)-Nr. 833/2014- (im folgenden Russland-Embargo). Die Entscheidung des EuGH erging auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Berlin.
Mit Urteil vom 05.09.2024 (C-109/23-Jenerak) hat die 2. Kammer des EuGH entschieden, dass die Beurkundung eines Wohnungskaufvertrags und dessen Vollzug keine Rechtsberatungsdienstleistung darstellt. Eine entsprechende notarielle Tätigkeit begründe daher keinen Verstoß gegen die VO (EU)-Nr. 833/2014- (im folgenden Russland-Embargo). Die Entscheidung des EuGH erging auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Berlin.
Das Vorlageverfahren betraf die notarielle Beurkundung eines beabsichtigten Immobilienverkaufs durch zwei in Russland ansässige Unternehmen an deutsche Staatsangehörige. Der von den Parteien mit der Beurkundung des Kaufvertrages beauftragte Notar verweigerte die Beurkundung unter Hinweis auf das bestehende Russland-Embargo. Im Rahmen der dagegen eingelegten Beschwerde legt das Landgericht Berlin das Verfahren zunächst dem EuGH nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vor.
Die Europäische Kommission hatte dazu in einem von ihr ausgearbeiteten Papier zum Russland-Embargo1 die Position vertreten, das in Art. 5n Abs. 2 der VO kodifizierte Verbot der Erbringung von Dienstleistungen betreffe auch die notarielle Tätigkeit bei der Beurkundung von Grundstücksgeschäften. Auch die an dem Verfahren beteiligten Mitgliedstaaten vertraten bezüglich der Einordnung der notariellen Tätigkeit unterschiedliche Standpunkte.
Angesichts der dadurch entstandenen Unsicherheit und der erheblichen -auch strafrechtlichen2 – Haftungsrisiken ist die nunmehr vorliegende Entscheidung des EuGH zu begrüßen. Vor dieser Klarstellung durch den EuGH bestand für Notare und Notarinnen das Problem, sich nach einer Beurkundung entweder strafrechtlicher Verfolgung oder, bei einer entsprechenden Weigerung, dem Vorwurf eines Dienstvergehens nach § 15 BnotO ausgesetzt zu sehen. Dieses Spannungsverhältnis hat der EuGH nunmehr weitgehend beseitigt.
Maßgeblich für die Entscheidung des EuGH war die Erwägung, dass es sich bei Rechtsdienstleistungen um solche handele, die der Dienstleister im Interesse seines Mandanten erbringe. Davon zu unterscheiden seien jedoch solche Tätigkeiten, die von Behörden oder anderen Einrichtungen ausgeübt werden und „der Wahrnehmung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe“ dienten. Mit der notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrag werde die Rechtmäßigkeit des Vertrags bestätigt. Es handele sich um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe, die der Staat den Notaren übertragen habe. Eine solche -quasi amtliche- Tätigkeit sei nicht als Dienstleistung i.S. der Russland-Embargo-Verordnung zu verstehen.
Überdies regele die VO kein allgemeines Verbot der Beteiligung an einem Geschäft mit einer in Russland ansässigen juristischen Person. Ein solches Verbot gelte vielmehr nur in denjenigen Fällen, in denen die juristische Person eine der in Art. 5aa Abs. 1 der VO normierten Kriterien erfülle. Die Annahme eines generellen notariellen Beurkundungsverbots einer Immobilientransaktion mit einer in Russland ansässigen juristischen Person, lasse sich daher mit der Regelungsmaterie der VO nicht vereinbaren. Eine solche Auslegung der VO würde im Übrigen zu unterschiedlichen Ergebnissen in den einzelnen Mitgliedstaaten führen, je nachdem ob die nationalen Rechtsordnungen eine notarielle Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags erfordern würden.
Der EuGH ordnet die notarielle Tätigkeit bei Grundstückskaufverträgen damit ähnlich ein, wie zuvor das BVerfG in seinem Beschluss vom 19.06.20123 . Das BVerfG hatte unter Hinweis auf § 1 der BnotO festgestellt, dass ein Notar sich zwar auf den Grundsatz der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen könne, er aber zugleich öffentliche Aufgaben wahrnehme, die „der Gesetzgeber auch der eigenen Verwaltung vorbehalten könne“ (gebundene Berufe). Dies gelte etwa für Verwahrungsgeschäfte nach § 23 BnotO.
Unabhängig von der oben skizzierten Entscheidung des EuGH sind aber auch im Rahmen der notariellen Beurkundung von Grundstücksgeschäften weiterhin die sich aus der personenbezogenen Sanktionsverordnung VO (EU) Nr. 269/2014 ergebenden Verpflichtungen für Notarinnen und Notare zu beachten.
Nach Art. 2 Abs. 2 dieser VO ist es untersagt, den in Anhang I aufgeführten natürlichen Personen oder mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich bei der VO um ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB, das ein Beurkundungsverbot nach § 4 BeurkG zur Folge hat.
Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift im Rahmen von notariellen Beurkundungen von Grundstückskaufverträgen ist auch nach der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des EuGH mit strafrechtlichen Sanktionen verbunden.
Ungeklärt bleibt die Rechtslage allerdings in denjenigen Fällen, in denen ein Beurkundungserfordernis nicht besteht. Angesichts der gravierenden Folgen eines Embargo-Verstoßes, ist in diesen Fällen zu raten, eine entsprechende Auskunft der Aufsichtsbehörden einzuholen.
1 (Frequently asked questions concerning sanctions adopted following russian’s military agression against ukraine and Belarus involvement in it)
2 Vgl. § 261 Abs. 1, 7 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1b) AWG.
3 BVerfG 1 BvR 3017/09 bei juris.
Das Vorlageverfahren betraf die notarielle Beurkundung eines beabsichtigten Immobilienverkaufs durch zwei in Russland ansässige Unternehmen an deutsche Staatsangehörige. Der von den Parteien mit der Beurkundung des Kaufvertrages beauftragte Notar verweigerte die Beurkundung unter Hinweis auf das bestehende Russland-Embargo. Im Rahmen der dagegen eingelegten Beschwerde legt das Landgericht Berlin das Verfahren zunächst dem EuGH nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vor.
Art. 5 n Abs. 1, 2 und 6 der vorbezeichneten VO lauten wie folgt
- (1) „Es ist verboten, unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Public-Relation-Beratung zu erbringen für
- a) die Regierung Russlands oder
- b) in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen.
- (2) Es ist verboten, unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen in den Bereichen Architektur- und Ingenieurswesen, Rechtsberatung und IT-Beratung zu erbringen für
- a) die Regierung Russlands oder
- b) in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen.
- (6) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für die Erbringung von Dienstleistungen, die zur Gewährleistung des Zugangs zu Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren in einem Mitgliedsstaat oder für die Anerkennung oder Vollstreckung eines Gerichtsurteils oder eines Schiedsspruchs aus einem Mitgliedsstaat unbedingt erforderlich sind, sofern die Erbringung dieser Dienstleistungen mit den Zielen dieser Verordnung und der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates im Einklang steht.“
Die Europäische Kommission hatte dazu in einem von ihr ausgearbeiteten Papier zum Russland-Embargo1 die Position vertreten, das in Art. 5n Abs. 2 der VO kodifizierte Verbot der Erbringung von Dienstleistungen betreffe auch die notarielle Tätigkeit bei der Beurkundung von Grundstücksgeschäften. Auch die an dem Verfahren beteiligten Mitgliedstaaten vertraten bezüglich der Einordnung der notariellen Tätigkeit unterschiedliche Standpunkte.
Angesichts der dadurch entstandenen Unsicherheit und der erheblichen -auch strafrechtlichen2 – Haftungsrisiken ist die nunmehr vorliegende Entscheidung des EuGH zu begrüßen. Vor dieser Klarstellung durch den EuGH bestand für Notare und Notarinnen das Problem, sich nach einer Beurkundung entweder strafrechtlicher Verfolgung oder, bei einer entsprechenden Weigerung, dem Vorwurf eines Dienstvergehens nach § 15 BnotO ausgesetzt zu sehen. Dieses Spannungsverhältnis hat der EuGH nunmehr weitgehend beseitigt.
Die Entscheidungsgründe
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die notarielle Beurkundung des Kaufvertrags einer Immobilie, die einer in Russland niedergelassenen juristischen Person gehört, nicht gegen Bestimmungen des Russland-Embargos verstößt. Dies gelte nicht nur für die Beurkundung selbst, sondern auch für weitere mit der Beurkundung im Zusammenhang stehende und sich daran anschließende Vollzugshandlungen. Anlässlich der Beurkundung erforderliche Übersetzungsleistungen eines Dolmetschers seien ebenfalls nicht von den Embargo-Bestimmungen erfasst.Maßgeblich für die Entscheidung des EuGH war die Erwägung, dass es sich bei Rechtsdienstleistungen um solche handele, die der Dienstleister im Interesse seines Mandanten erbringe. Davon zu unterscheiden seien jedoch solche Tätigkeiten, die von Behörden oder anderen Einrichtungen ausgeübt werden und „der Wahrnehmung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe“ dienten. Mit der notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrag werde die Rechtmäßigkeit des Vertrags bestätigt. Es handele sich um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe, die der Staat den Notaren übertragen habe. Eine solche -quasi amtliche- Tätigkeit sei nicht als Dienstleistung i.S. der Russland-Embargo-Verordnung zu verstehen.
Überdies regele die VO kein allgemeines Verbot der Beteiligung an einem Geschäft mit einer in Russland ansässigen juristischen Person. Ein solches Verbot gelte vielmehr nur in denjenigen Fällen, in denen die juristische Person eine der in Art. 5aa Abs. 1 der VO normierten Kriterien erfülle. Die Annahme eines generellen notariellen Beurkundungsverbots einer Immobilientransaktion mit einer in Russland ansässigen juristischen Person, lasse sich daher mit der Regelungsmaterie der VO nicht vereinbaren. Eine solche Auslegung der VO würde im Übrigen zu unterschiedlichen Ergebnissen in den einzelnen Mitgliedstaaten führen, je nachdem ob die nationalen Rechtsordnungen eine notarielle Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags erfordern würden.
Der EuGH ordnet die notarielle Tätigkeit bei Grundstückskaufverträgen damit ähnlich ein, wie zuvor das BVerfG in seinem Beschluss vom 19.06.20123 . Das BVerfG hatte unter Hinweis auf § 1 der BnotO festgestellt, dass ein Notar sich zwar auf den Grundsatz der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen könne, er aber zugleich öffentliche Aufgaben wahrnehme, die „der Gesetzgeber auch der eigenen Verwaltung vorbehalten könne“ (gebundene Berufe). Dies gelte etwa für Verwahrungsgeschäfte nach § 23 BnotO.
Ausblick
Die Entscheidung des EuGH bezieht sich zunächst nur auf die notarielle Beurkundung von Grundstücksgeschäften, dürfte in gleicher Weise jedoch für alle Konstellationen gelten, in denen die Mitwirkung eines Notars zwingend erforderlich ist (z.B. §§ 2 Abs. 1 GmbHG, § 23 Abs. 1 AktG). Beurkundungspflichtige Vorgänge, in denen der Notar öffentliche Aufgaben wahrnimmt, begründen nach dem Urteil des EuGH vom 04.09.2024 generell keinen Verstoß gegen das Russland-Embargo.Unabhängig von der oben skizzierten Entscheidung des EuGH sind aber auch im Rahmen der notariellen Beurkundung von Grundstücksgeschäften weiterhin die sich aus der personenbezogenen Sanktionsverordnung VO (EU) Nr. 269/2014 ergebenden Verpflichtungen für Notarinnen und Notare zu beachten.
Nach Art. 2 Abs. 2 dieser VO ist es untersagt, den in Anhang I aufgeführten natürlichen Personen oder mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich bei der VO um ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB, das ein Beurkundungsverbot nach § 4 BeurkG zur Folge hat.
Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift im Rahmen von notariellen Beurkundungen von Grundstückskaufverträgen ist auch nach der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des EuGH mit strafrechtlichen Sanktionen verbunden.
Ungeklärt bleibt die Rechtslage allerdings in denjenigen Fällen, in denen ein Beurkundungserfordernis nicht besteht. Angesichts der gravierenden Folgen eines Embargo-Verstoßes, ist in diesen Fällen zu raten, eine entsprechende Auskunft der Aufsichtsbehörden einzuholen.
1 (Frequently asked questions concerning sanctions adopted following russian’s military agression against ukraine and Belarus involvement in it)
2 Vgl. § 261 Abs. 1, 7 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1b) AWG.
3 BVerfG 1 BvR 3017/09 bei juris.
single.php