Steuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung

Ein neu veröffentlichter Beschluss des BGH vom 10. Januar 2023 (1 StR 250/22) rückt das Thema der Steuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung erneut in den Blick. Bemerkenswert ist die Entscheidung insbesondere insofern, als sie sich zu den Voraussetzungen einer Zurechnung der Gewinnausschüttung als Einkommen bei dem beherrschenden Gesellschafter äußert. Soweit die landgerichtlichen Feststellungen unzureichend waren, gelangt der BGH immerhin zu einer Teilaufhebung. Wir stellen die Entscheidung vor.

Dr. Jan Philipp Book

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

Gewinnausschüttung im Firmengeflecht


Der Angeklagte war – soweit im Rahmen der Entscheidung wiedergegeben – den Gesellschafter von drei Gesellschaften, welche ein Hotel betrieben. In der Folge etablierte der Angeklagte ein Geflecht von weiteren Firmen in Deutschland und der Schweiz. Faktisch wurden diese nach den Feststellungen des Landgerichts durch den Angeklagten beherrscht, der allerdings zumeist nicht offen in Erscheinung trat. Formal hatten dritte Personen die jeweiligen Organstellungen inne. Insgesamt sollten die Strukturen der Verlagerung von Unternehmensgewinnen in die Schweiz dienen. Zu diesem Zweck leisteten die Betreibergesellschaften in Deutschland hohe Zahlungen an Gesellschaften in der Schweiz, welche angeblich auf Managementverträgen beruhten. Die Schweizer Gesellschaften erbrachten allerdings entweder keine oder wesentlich geringere Leistungen als angegeben. Insgesamt kam es so zu Zahlungen von mehr als 10 Millionen € an diese Gesellschaften. Diese Zahlungen wurden bei den deutschen Gesellschaften in voller Höhe als Betriebskosten erfasst und im Rahmen der entsprechenden Steuererklärungen angegeben. Angesichts der tatsächlichen Komplexität ist der Sachverhalt hier vereinfacht wiedergegeben.

 

Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuer


Das Landgericht verurteilte den Angeklagten zum einen wegen der Hinterziehung der Körperschafts- und Gewerbesteuer der leistenden Gesellschaften im Tatzeitraum. Soweit teilweise Leistungen erbracht worden waren, wurden diese als Betriebsausgaben allein insoweit anerkannt, als sie einem Drittvergleich standhielten. Der Bundesgerichtshof billigte dies wie folgt (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023, 1 StR 250/22, Rn. 10):

 
Zutreffend ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass es sich bei den Zahlungen der deutschen Hotelgesellschaften „[…] (teilweise) um verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG handelte, die die Gewinne der deutschen Hotelgesellschaften nicht schmälerten und deren Ansatz als Betriebsausgaben daher zur Verkürzung von Körperschaft- und Gewerbesteuer in den jeweils verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeiträumen führte […]. Die bei den deutschen Hotelgesellschaften eingetretenen Vermögensminderungen waren durch das Gesellschaftsverhältnis zum Angeklagten veranlasst […]

 

Zurechnung von Einkünften zum Gesellschafter


In fünf weiteren Fällen bemängelt der Bundesgerichtshof allerdings, dass die Feststellungen der Strafkammer die Zurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung als Einkünfte des Angeklagten nicht tragen. Insoweit weist der Senat einleitend auf Folgendes hin (Rn. 12):

 
Die persönliche Zurechnung von Einkünften richtet sich danach, welche Person sie im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG „erzielt“ hat. Im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Kapitalgesellschaft, die nicht nur zivilrechtlich, sondern auch steuerrechtlich ein selbständiges Steuersubjekt ist (vgl. § 1 KStG), gilt ein strenges Trennungsprinzip.

 

Vermögensverlagerung an nahestehende Personen


Grundsätzlich erziele der Gesellschafter erst dann Einkünfte, wenn ihm Vermögenswerte zufließen. Dies setze aber keinen Vermögenszufluss gerade in der Person des Gesellschafters voraus (Rn. 13):
Dabei genügt es jedoch, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Sofern die Zuwendung allein auf dem Näheverhältnis des Empfängers zum Gesellschafter beruht, ist die Zuwendung so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen an die nahe stehende Person (als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung) weitergegeben

Der Begriff der nahestehenden Person sei dabei auch nicht auf die in § 15 AO genannten Personen beschränkt. Vielmehr könne das erforderliche Näheverhältnis auf andere Sachverhalte zurückgehen – etwa eine jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit. Nahestehenden Person kann auch eine empfangende Kapitalgesellschaft sein, an der andere Gesellschafter als an der leistenden Gesellschaft beteiligt seien.

Diese Voraussetzungen seien mit Blick auf zwei Gesellschaften aus gesellschaftsrechtlichen Gründen nicht hinreichend belegt. Insbesondere sein ein Durchgriff des Angeklagten auf diese Gesellschaften durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Die Zahlungen könnten diesem nicht ohne Weiteres als Einkünfte zugerechnet werden. Daher hob der Senat die entsprechende Verurteilung auf.

 

Exkurs: Strafzumessung im Steuerstrafrecht


Trotz der Teilaufhebung lohnt ein Blick auf die Strafzumessungsentscheidung des Tatgerichts: dieses hatte den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Auch wenn sich die konkreten Hinterziehungsbeträge für die einzelnen Taten aus der Senatsentscheidung nicht ergeben, verdeutlicht dies doch, als wie schwerwiegend die Strafkammer die Taten bewertete. Insbesondere das geplante und auf Verschleierung angelegte Vorgehen wird strafschärfend berücksichtigt worden sein.

 

Ausblick: weitreichende Zurechnung als Einkommen


Die Entscheidung lenkt den Blick auf die Voraussetzungen der verdeckten Gewinnausschüttung, insbesondere unter Einbeziehung nahestehender Personen. Die Zurechnung als Einkommen kann weitreichend stattfinden – und hat dann mit Blick auf die Einkommensteuer gravierende strafrechtliche Folgen.

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